Taz am Wochenende, 23/24. März 2019
Hardy Prothmann wurde mit seinem „Rheinneckarblog“ zum Vorbild für modernen Lokaljournalismus. Dann erfand er einen Terroranschlag, wurde geächtet und verurteilt. Über einen Mann, dem das Korrektiv fehlt.
Seine Idee ist gescheitert, aber er hört trotzdem nicht auf, für sie zu kämpfen. „Schluss ist, dann, wenn der Freispruch da ist“, sagt Hardy Prothmann, 52 Jahre alt, stämmige Figur, misstrauischer Blick, tiefe Augenringe. „Juristisch bin ich auf der richtigen Seite.“ Er sieht müde aus.
Prothmann hat sich selbst mal die „Zukunft des Lokaljournalismus“ genannt, er wurde 2009 für seine Pionierarbeit mit sogenannten hyperlokalen Blogs mit einem Medienpreis ausgezeichnet, auf Podien eingeladen und zigfach interviewt. Er galt damals als sperriger, unbequemer Typ. Als einer, der dem oft als bieder und angepasst gescholtenen Lokaljournalismus wieder die kritische Haltung einbläute. Heute ist er in den Texten mancher Kollegen bloß noch der „ Fake-News-Blogger aus Mannheim „.
Der Hintergrund: Im Januar dieses Jahres verurteilte ihn das Amtsgericht Mannheim wegen der Störung des öffentlichen Friedens zu 12.000 Euro Strafe. Zuvor, im März 2018, hatte er auf seinem Rheinneckarblog einen fiktiven Text über einen blutigen Terroranschlag in der Stadt veröffentlicht. Von 136 Toten war die Rede. Die Auflösung kam erst hinter einer Paywall: Eine Debatte über mangelnde Medienkompetenz und die Bedrohungslage durch Terrorismus habe man erzeugen wollen, heißt es da.
Die Debatte kommt – nur anders, als Prothmann beabsichtigt hatte. Kommentatoren werfen ihm rechte Meinungsmache vor, andere bezeichnen ihn als Fall für die Psychiatrie. Anonyme Anrufer blöken ihm Beleidigungen und Morddrohungen in den Hörer. Der Presserat spricht eine Rüge aus, der Deutsche Journalisten-Verband urteilt: „Er hat dem Journalismus einen Bärendienst erwiesen.“
Hat es Prothmann dieses Mal zu weit getrieben? „Aus der Ecke kommt er nicht mehr raus“, sagen manche aus der Branche. „Das war’s für ihn.“
Aber Prothmann mag zwar in der Ecke stehen – am Boden ist er noch lange nicht. (…)