Bei den Südwestdeutschen Medientagen in Landau und Neustadt drehte sich alles um die Frage journalistischer Qualitätssicherung. Auffällig: Die neue Konkurrenz aus dem Netz sorgte dabei für die größte Verunsicherung.
Rezo war zwar nicht eingeladen – aber dennoch hatte man den Eindruck, als säße der blauhaarige YouTuber bei jeder Diskussionsrunde mit am Tisch. Denn obwohl an diesen beiden Tagen in Neustadt und Landau ja eigentlich über die Kontrolle aller Medien gesprochen werden sollte, schien die drängendste Frage zu sein, wie man denn nun mit diesem vermeintlich neuen Meinungsraum im Internet umzugehen habe.
Einen passenderen Zeitpunkt für diese Veranstaltung hätte es kaum geben können. Selten zuvor hatte die Branche schließlich so intensiv über sich selbst nachdenken müssen wie in den vergangenen Wochen. Sei es die Affäre um das Ibiza-Video des österreichischen FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache, der Fälschungsskandal beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ oder eben der Wirbel um den Youtuber Rezo – immer ging es dabei ja letztlich auch um die Frage: Was darf, soll und ist eigentlich Journalismus?
Allein Antworten darauf zu geben, wäre komplex genug. Denn zwar gibt es im Journalismus handwerkliche Regeln, Sorgfaltspflichten und ethische Normen – standardisierte ISO-Verfahren wie in der Industrie wird man aber vergeblich suchen. Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden. Dazu kommen die hohen Güter der Meinungs- und Pressefreiheit: Jeder, der Einschränkungen und Kontrolle fordert, begibt sich deshalb mit einem Bein unweigerlich aufs Glatteis drohender Zensur. Umso spannender also war die Leitfrage der Veranstaltung: Wer soll vor diesem Hintergrund denn nun den Journalismus-TÜV spielen und eine systematische Qualitätssicherung gewährleisten?
Die Evangelische Akademie der Pfalz und die Landeszentrale für politische Bildung hatten dazu eine Reihe von renommierten Branchenvertretern und Wissenschaftlern eingeladen. Ihr etwas sanfter Tenor: Es funktioniert eigentlich ganz gut so wie es ist. In Richtung von Presserat, Rundfunkräten und Landesmedienanstalten – also den derzeit bestehenden Kontrollgremien der traditionellen Medien – gab es zwar vereinzelt etwas Kritik. Der Presserat sei wegen seiner Freiwilligkeit ein zahnloser Tiger, sagte etwa der Kölner Medienwissenschaftler Hektor Haarkötter. Und der Schweizer Kommunikationsforscher Otfried Jarren forderte gar: „Die Politik muss raus aus den Rundfunkräten.“ Aber grundsätzlich waren sich Medienvertreter und Experten doch einig, dass die bestehenden Mechanismen ausreichend seien.
Etwas künstlich und unbeholfen wirkte deshalb der Graben, der immer wieder zwischen dem traditionellen Print- und Rundfunkjournalismus auf der einen und der digitalen Welt auf der anderen Seite gezogen wurde. Er habe Angst vor einem solchem öffentlichen Raum ohne journalistische Sorgfaltspflichten, sagte beispielsweise sinngemäß Fritz Frey, Chefredakteur des Südwestrundfunks im Hinblick auf die Video-Plattform YouTube. Und Clemens Hoch, Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, beklagte, Meinung und Tatsachen seien im Netz nicht mehr ausreichend als solche gekennzeichnet.
Beide vergaßen dabei offenbar, dass schon seit Jahren auch am analogen Bahnhofskiosk ganze Regale mit Heftchen gefüllt sind, die solche Standards ebenfalls vermissen lassen. Zudem wurde unterschlagen, dass sich auf YouTube mittlerweile viele Kanäle finden lassen, die bestimmte relevante Themen facettenreicher und fundierter behandeln also so manche Tageszeitung oder so manches Fernsehmagazin. Warum also hier jetzt plötzlich eine neuartige Gefahr drohen soll, wurde nicht ganz klar.
Einig waren sich alle Teilnehmer aber darin, dass es auch im Netz keine spezifische Regulierung der Meinungsfreiheit geben dürfe. „Sie können globale Plattformen sowieso nicht mit nationalen Gesetzen einschränken“, sagte etwa Kommunikationsforscher Jarren. In der abschließenden Diskussion konnten sich dann Medienwissenschaftler Haarkötter, der Medienjournalist Stefan Fries und das ehemalige Presseratsmitglied Ilka Desgranges vor allem auf zwei schlichte Forderungen für eine effektive Medienkontrolle im digitalen Zeitalter einigen: Die Stärkung der gesamtgesellschaftlichen Medienkompetenz sowie deutlich mehr Transparenz vonseiten des Journalismus in Bezug auf die eigenen Arbeit.